Schottland – Land der Mythen, der Kelten, der Dudelsäcke. Und natürlich das Land, in dem Hogwarts steht. Grund genug, mal eine Reise dorthin anzutreten. Genau das habe ich gemacht – und hiermit präsentiere ich euch einen Reisebericht von meinem Kurztrip in die Schottischen Highlands!
Montag, 30.06.2014, 6:20 Uhr, Edinburgh, Waverly Station.
Nur noch die Rolletreppe runter, und da sahen wir ihn vor uns, den blauen ScotRail-Zug, der die erste Etappe unserer Reise bewältigen sollte. Ich nahm es als gutes Ohmen, dass er von „Platform 9“ abfuhr. Der morgendliche Pendlerverkehr hielt sich noch in Grenzen, der Bahnsteig war wie leer gefegt. und auch unser Waggon war alles andere als voll besetzt. Doch was zur Hölle machten wir in dieser Herrgottsfrühe am Bahnhof von Edinburgh? Und wer sind „wir“ eigentlich? Das sollte ich genauer erklären.
Wir, damit meine ich natürlich mich selbst, den die meisten als Peter oder Albus kennen, und außerdem eine sehr liebe Verwandte von mir, die schon unzählige Male in allen möglichen Teilen Schottlands war und mir, wohlwissend, dass ich großer Harry Potter-Fan bin, den Trip in die Highlands vorschlug. Oh, eins darf ich nicht vergessen: „Wir“ umschloss schließlich auch noch unsere beiden Trolleys, Gilderoy und Blackbock, die zu Beginn der Reise noch nicht wissen konnten, dass sie mit uns auf kilometerlange Wanderschaften gehen würden … Wie dem auch sei: Nach rund eineinhalb Tagen in der wundervollen Schottischen Hauptstadt traten wir also an jenem Montagmorgen unsere Reise in die Highlands an.
Von Edinburgh ging es zunächst westwärts, in Schottlands größte Stadt, Glasgow, denn nur von dort fährt die sogenannte West Highland Bahn. Rund eine Stunde dauerte diese erste Zugfahrt. Der Bahnverkehr in Glasgow unterliegt einer Besonderheit: Nicht nur einer, sondern gleich zwei Hauptbahnhöfe liegen im Stadtzentrum, und jeder von ihnen bedient verschiedene Bahnverbindungen. So mussten wir von Glasgow Central rund zehn Minuten zu Glasgow Queen Street laufen und bekamen dabei einen kurzen Eindruck der rausgeputzten City mit vielen altehrwürdigen Geschäften.
7:20 Uhr, Glasgow, Queen Street Station.
Noch rasch einen Kaffee getrunken und etwas Popcorn gegessen (nein, du hast dich nicht verlesen) bestiegen wir gegen halb acht schließlich den Zug, der uns mehrere hundert Kilometer entlang der West Highland Line nach Hogwarts bringen sollte. Zugegeben, gelegentlich mischen sich Realität und Wunschtraum ein wenig. Aber dennoch: Der Zug, in dem wir nun saßen, galt als die alltägliche, wahre Version des Hogwarts Expresses. Zwar gibt es zu touristischen Zwecken tatsächlich eine alte Dampflok, die ein Teilstück der Strecke abfährt (mehr dazu später), aber wer überhaupt erst einmal aus der zivilisierten Welt in die schroffe Natur der Highlands gelangen will, dem bleibt nur die West Highland Bahn.
Foto: Die Glasgow Queen Street Station.
Glücklicherweise hatten wir im Vorfeld Plätze reserviert, denn der Zug war proppenvoll. Sicher waren ein paar Pendler unter den Passagieren, größtenteils handelte es sich aber um Touristen. Und das Glück war uns weiterhin hold: Unsere Plätze lagen an einem Tisch und uns gegenüber lagen die einzigen beiden Sitze im Waggon, die frei blieben – wir konnten unsere Tags zuvor gekauften Frühstücksutensilien also ungehemmt ausbreiten. Dann ging die Fahrt los – rund fünf Stunden sollte sie dauern, doch Langeweile kam zu keinem einzigen Zeitpunkt auf.
Die Landschaft vor dem Fenster veränderte sich langsam, aber sicher. Aus der Metropolregion rund um Glasgow, die leider von einer ganzen Reihe unglaublich hoher Plattenwohnbauten dominiert wird, ging es hinaus in eine immer ansehnlichere Landschaft. Zunächst begleitete uns ein Fjord über etliche Kilometer, auf dessen klares Wasser wir aus immer höheren Höhen hinabblickten. Zeichen menschlicher Zivilisation wurden immer seltener, die seichten Hügel wurden höher und höher, ehe sie sich durchaus die Bezeichnung Berg verdienten. Nach rund einer Stunde Fahrt befanden wir uns bereits mitten in den Highlands. Schroffe Bergmassive und sanft abgerundete Hügelkuppen, bewachsen von Laub- und Nadelwäldern und leuchtend grünen Wiesen, wechselten sich mit spiegelglatten Seen ab, die das Blau des Himmels reflektierten.
Foto: So sehen die ScotRail-Züge aus. Hier kommt uns relativ zu beginn der Reise einer entgegen.
Foto: Sea Salt & Vinegar-Chips - seeehr empfehlenswert!
In Crainlarich, rund 80 Kilometer nördlich von Glasgow gelegen und mit rund 200 Einwohnern eine der größeren Siedlungen im entsprechenden Teil der Highlands, machten wir einen vergleichsweise längeren Zwischenstopp von rund zehn Minuten. Grund dafür war die Teilung des Zuges: Eine Hälfte würde westwärts fahren, in die Kleinstadt Oban, während unsere Hälfte den Weg in nordwestlicher Richtung fortsetzte, mit der Endstation im kleinen Fischerort Mallaig. Und so ging es weiter, immer weiter weg von der Zivilisation. Höher und höher wurden die Berggipfel, auf einigen lagen sogar noch Schneereste. Die Wälder wurden allmählich weniger und machten weiten, teils sumpfigen Graslandschaften Platz, die so weich, so weit, so unendlich wirkten, dass ich einfach nur das Bedürfnis hatte, hinauszulaufen, über die Wiesen zu rennen, mich schließlich hineinzuwerfen und einfach liegen zu bleiben und die vorbeitreibenden Wolken vor dem blauen Himmel zu beobachten.
Den höchsten Punkt der Strecke erreichten wir schließlich an der Corrour Station. Hier ist die Einsamkeit perfekt: Es gibt neben dem winzigen Bahnhof nur eine kleine Gaststätte mit ein paar Betten, wo man essen und natürlich übernachten kann. Direkt hinter der Gaststätte liegt ein winziger See und ansonsten gibt es rundherum nur eine endlose Weite mit jener Graslandschaft, die ich eben beschrieben habe. In der ferne sieht man auch den einen oder anderen schneebedeckten Berg. Übrigens: Wenn der Sommer sich zum Ende neigt, werden die grünen Landschaften langsam aber sicher einem goldenen braun weichen, das bestimmt auch so seinen Reiz hat (zu begutachten zum Beispiel hier in „Harry Potter und der Halbblutprinz“).
Weiter ging die Fahrt, nun wieder leicht abwärts, über Ortschaften Talloch und Spean Bridge, ehe wir schließlich nach Fort William kamen, mit rund 10000 Einwohnern die mit Abstand größte Stadt der westlichen Highlands. Ich persönlich war etwas verwundert, als ich später herausfand, dass der große, vermeintliche See, an dem Fort William liegt, ein Fjord ist, also eine Verbindung zum Meer hat. Wir waren hier also wieder auf Meereshöhe – und trotzdem befanden wir uns noch mitten in einer Berglandschaft! Fort William sollte am Abend auch unsere Tagesendstation werden, aber zunächst fuhren wir die Zugstrecke bis zum Ende und würden später zurückkommen. Vier Zwischenhalte machten wir noch, ehe ich mich auf das Highlight der Fahrt vorbereitete: Die Überquerung des Glenfinnan Viaducts, auch bekannt als „Harry Potter-Brücke“. In gleich mehreren der HP-Filme überquert der Zug das Viaduct – besonders prägnant ist natürlich die Szene, in der Harry und Ron mit dem Ford Anglia neben dem Hogwarts Express herfliegen. Dieses „Ich erlebe gerade einen Teil der Harry Potter-Geschichte“-Gefühl ist einfach etwas Unbeschreibliches, deshalb überlasse ich es jedem selbst, sich das vorzustellen.
Foto: Blick vom Viaduct in Richtung Loch Shiel
Ein Großteil der Zugfahrt war nun geschafft. An einem kleineren See, den wir im Verlauf dessen passierten, fiel mir allerdings noch etwas ins Auge: Eine kleine, von Bäumen bewachsene Insel, sehr dicht am Ufer und nicht weit entfernt von der Bahnlinie. Kam mir diese Insel nicht auch irgendwie bekannt vor? Sicherheitshalber machte ich ein paar Fotos, die leider ein wenig durch die Bäume zwischen See und Strecke behindert wurden. Im Nachhinein fand ich heraus: Ja, tatsächlich! Vor der Kulisse dieser Insel wurden auch einige HP-Szenen gedreht, etwa eine kurze aus dem dritten Film, in der Hagrid Steine ins Wasser wirft. Es ging noch etwa eine Dreiviertelstunde weiter, ehe wir schließlich Mallaig erreichten, ein kleines Dorf an der Küste, das überwiegend vom Fischfang und vom Tourismus lebt. Ich sollte womöglich noch erwähnen, dass die fünf Stunden Zugfahrt für uns quasi nur aus „aus dem Fenster gucken“ und essen bestand, aber trotzdem war es ein wahnsinnig tolles Erlebnis, das ich jedem nur empfehlen kann! Es gibt einfach so viel zu sehen, dass nie auch nur das kleinste Bisschen Langeweile aufkommt!
Foto: Leider war ein Vergleichsfoto schwer zu finden, aber das IST tatsächlich dieselbe Insel!
13:15 Uhr, Mallaig Station.
Wir stiegen also in Mallaig aus - und siehe da: war es ein Wink des Schicksals? Am Gleis gegenüber stand der Jacobite Steam Train, die Dampflok, die nicht zuletzt dank des „Harry Potter-Tourismus“ ihren Betrieb wieder aufnahm und zwischen Fort William und Mallaig verkehrt. Die Tür stand einladend auf, weshalb ich es mir nicht nehmen ließ, einen Blick in einen der Luxuswaggons zu werfen …
Mallaig selbst hat, zugegeben, nicht so wahnsinnig viel zu bieten. Die Landschaft rundherum ist natürlich wunderschön, mit den Highlands auf der einen, und dem Meer auf der anderen Seite. Nach einer kleinen Stärkung in einem der vielen Restaurants beschlossen wir schließlich, zu Fuß eine Station zurück zu gehen, nach Moror. Dort lagen die „White Sands“, eine Reihe berühmter Sandstrände, die einen Besuch wert sein sollten. Von Moror aus wollten wir schließlich den nächsten Zug zurück nehmen. So machten wir uns auf den Weg – mitsamt unserer Trolleys, die hier auch ihre Namen verliehen bekamen: Der schwarze und widerspenstige Blackbock und mein knallorangener Ikea-Trolley, den ich aufgrund seiner Auffälligkeit Gilderoy taufte. Zugegeben, rückblickend wäre es wohl sinnvoller gewesen, zunächst in Fort William zu halten, dort in unser Bed&Breakfast einzuchecken, und anschließend ohne Koffer weiterzufahren. Aber hinterher ist man immer schlauer.
Foto: Der Blick über Mallaig.
Foto: Blackbock und Gilderoy machen Rast.
Foto: Schöner als ihr Ruf: Die Distel ist die Nationalpflanze Schottlands!
Nach rund einer Stunde hatten wir die fünf Kilometer bis Moror hinter uns gebracht und gingen hinunter zum Strand. Da gerade Ebbe war, breitete sich vor uns eine faszinierende, weite Sandlandschaft aus. Wir ließen unsere Koffer an einer gut einsehbaren Stelle stehen und gingen ein Stück weiter, wo wir schließlich auf einigen Felsen am Rand des Strandes Rast machten und die salzige Meeresbrise genossen. Nachdem wir schließlich wieder recht ausgeruht waren, gingen wir zum Bahnhof von Moror. Es fuhren noch zwei Züge zurück nach Fort William, also beschlossen wir, zunächst mit dem ersten nach Glenfinnan zu fahren, uns dort umzusehen, und dann den letzten Zug zurück zu nehmen.
Foto: Blackbock und Gilderoy wurden am Strand 'geparkt'.
Foto: The White Sands of Moror
16:15 Uhr, Glenfinnan Station
Von der Glenfinnan Station aus gingen wir schließlich zum touristischen Ausgangspunkt, der etwa auf halber Strecke zwischen dem Viaduct und dem Glenfinnan Monument sowie dem großen See Loch Shiel liegt. Zunächst gingen wir zum Monument, das im Jahr 1815 errichtet wurde und an eine im vorherigen Jahrhundert ausgefechteten Revolte zur Unabhängigkeit Schottlands erinnern sollte. Direkt hinter dem Monument liegt das Ufer des Loch Shiel – der nicht bloß irgendeiner von hunderten Highland-Seen ist, sondern für fast alle Harry Potter-Filme in diversen Szenen als Hogwarts-See gefilmt wurde! Am allerbesten zu sehen ist dies in einer leider nur zusätzlichen, aber dennoch wunderschönen Szene aus Die Kammer des Schreckens, in der Harry zusammen mit Hedwig auf dem Hügel zwischen See und Viaduct sitzt und Hedwig fragt „Wer bin ich?“
Ebendiesen Hügel erklommen wir schließlich auch noch, zumindest ein Stück weit (Gilderoy und Blackbock wurden im Unterholz versteckt, denn der Weg hinauf ist doch recht unwegsam). Von hier hatte man einen wundervollen Blick auf die umliegende Landschaft. Und mit ein wenig Fantasie sah man auch Hogwarts am gegenüberliegenden Seeufer thronen ...
Foto: Deko an der Glenfinnan Station.
Foto: Die Besuchertafel am Glenfinnan. Man beachte bitte den Poser-Vogel.
Foto: Blick zum Loch Shiel.
Foto: Das Glenfinnan Monument.
Foto: Die angesprochene deleted scene aus HP2. Fast dieselbe Perspektive. :)
Foto: Ein Wanderweg oberhalb der Glenfinnan Station.
Schließlich traten wir den Rückweg an und fuhren von der wunderschön gestalteten Glenfinnan Station mit dem letzten Zug des Tages zurück nach Fort William.
Foto: Der Zug nach Fort William fährt ein.
20:00 Uhr, Fort William.
Vom Bahnhof aus suchten wir zunächst etwas planlos nach unserem Bed&Breakfast, aber schließlich fanden wir es doch an einer Ausfallstraße des Ortes, am Ufer des Fjordes Loch Linnhe, an dem dutzende kleine Pensionen liegen und für jeden Geschmack eine Unterkunft bieten. Abends gingen wir noch durch die Hauptstraße des kleinen Ortes und aßen etwas, ehe es nicht zu spät ins Bett ging, denn am nächsten Tag wartete mit der Rückfahrt noch ein letztes Highlight auf uns.
Foto: Blick von unserem Bed&Breakfast auf Loch Linnhe.
Dienstag, 01.07., 7:00 Uhr, Fort William Bus Station.
Den Rückweg über Glasgow zum Flughafen von Edinburgh, wo um die Mittagszeit unser Flieger ging, traten wir nicht per Zug an, sondern per Bus an, denn dieser fährt eine teilweise andere Strecke, wodurch wir noch ein paar andere Eindrücke bekommen würden. So ging es bei trotz vieler Beschwerden voll aufgedrehter Klimaanlage und gefühlten minus fünfundachzig Grad im Bus also südwärts, zurück in Richtung Zivilisation. Das Highlight der Busfahrt war die Durchquerung des Glen Coe, ein einges Tal, das nicht umsonst zu den berühmtesten Regionen der Highlands gehört und mit der aufgehenden Sonne im Hintergrund eine spektakuläre Szenerie bot. Am Ende des Tals erwartete uns schließlich eine gewaltige Nebelfront (brüteten hier etwa einige Dementoren?), die den Highlands wieder ein ganz neues, leicht gespenstisches, aber nicht minder tolles Ambiente verlieh. Rund vier Stunden dauerte die Fahrt nach Glasgow. Langeweile kam auch hier zu keiner Zeit auf. Das schöne Wetter und die großzügig kalkulierte Zeit erlaubten uns noch einen Kaffee in einer sonnenbeschienenen Nebenstraße der Glasgower City, ehe es schließlich zurück zum Edinburgh Airport und nach Hause ging.
Foto: Der Loch Linnhe vom Bus aus.
Foto: Diesen Berg haben wir auch mit dem Zug passiert ... vielleicht findet ja jemand das entsprechende Foto. ;)
Foto: Das Glen Coe.
Foto: Die Nebelwand am Ende des Glen Coe.
Foto: Zu guter Letzt noch eine Impression aus Glasgow!
Ich könnte jetzt sagen, Schottland ist definitiv eine Reise wert, aber das wäre gelogen. Dieses faszinierende Land ist mal locker zwei, drei oder mehr Reisen wert der unglaublich tolle Kurztrip wird sicher nicht meine letzte Reise in die Highlands gewesen sein – das ist so sicher wie das „Sir“ beim Dobby. Oder wie das „Lumos“ in dunklen Räumen. Na gut, die waren beide schlecht, ich gebs auf. Leute, macht eine Reise in die Highlands! Ich verspreche euch, wenn ihr dort am Ufer des Hogwars-Sees steht, über die weite Landschaft blickt und die klare Luft einatmet, werdet ihr euch einfach nur denken: All was well.
PS: Ich hoffe, der Bericht hat euch gefallen. Ich freue mich auf eure Kommentare!